Corratec E-ALLROAD, E-Gravelbike für alle Gelegenheiten.

Das Corratec E-ALLROAD ist ein Gravelbike mit E-Antrieb von Fazua, ein sog. Pedelec. Es gibt also nur dann Motorunterstützung, wenn der Fahrer in die Pedale tritt und auch nur bis max 25 kmh; bei schnellerer Fahrt ist wieder pure Kraftausdauer gefragt. Und das Schöne an dem Fazua – Antrieb gleich vorweg: Bei ausgebautem oder ausgeschaltetem Motor oder bei Tempo über 25 kmh entkoppelt die E – Antriebseinheit komplett, kein Unterschied zum Treten mit einem „normalen“ Fahrrad.

Corratec E-ALLROAD – Ausstattung
– Shimano GRX Schaltgruppe mit Shimano SLX 11-fach Kassette 11-42T,
– ZZYZX E-Power Kurbel mit einfach-Kranz 42T,
– hydraulische Scheibenbremsen Shimano GRX, vorn + hinten 160 mm Bremsscheiben,
– Lenker, Vorbau, Sattelstütze und Fegen von ZZYZX – wie auch der Kurbelsatz,
– Reifen: WTB Riddler, 700 x 45
– E- Antriebseinheit: Fazua RIDE 50 EVATION
Gewicht: 14,9 (ohne Motoreinheit 11,3) kg, UVP 4099,- €
Je nachdem, für welchen Einsatz, kann man das Rad mit Schutzblechen und Gepäckträger ausstatten, genug Montagemöglichkeiten sind vorhanden. Das Rad gibt es in 4 Rahmenhöhen (46, 51, 56, 61 cm) und 2 verschiedenen Farben.

Als junger Bursche habe ich mich jedes Mal geärgert, wenn ich auf dem Rennrad meine Runde um den Elm fuhr und mich am Ampleber Berg – durchschnittlicher Steigung 7%, mehrere Rampen 10% – ein älterer Herr im Mantel und mit Hut ganz locker überholte. Der Feldhüter – so etwas gab es damals – nutzte für seine tägliche Kontrollrunde ein Fahrrad mit Hilfsmotor ( MoFa ), der Tank für das Zweitaktgemisch befand sich auf dem Gepäckträger.

Ampleber Berg

Als dann vor einigen Jahren die ersten e-Bikes aufkamen, war es für mich sozusagen ein „déjà- vu“: Klobiger Rahmen, Akku auf dem Gepäckträger! Radfahren wieder der Feldhüter vom Ampleber Berg? Eigentlich stand für mich fest: E- Bike? – Niemals! Aber nie ist ja nie nie; die E-Bikes sind leichter und optisch ansprechender geworden und auf der Eurobike 2017 wurde vom bayrischen Start-up FAZUA ein neues Antriebssystem vorgestellt, das mich hellhörig werden ließ:
Das Fazua evation 1.0 Antriebssystem mit relativ kleiner Antriebseinheit, die ganz einfach komplett abgenommen oder angesteckt wird. Biken ohne Unterstützung und auch ohne das zusätzliche Gewicht von E-Motor und Akku oder mit Unterstützung – das sog. Drivepack von Fazua macht beides möglich und ist für sportlich orientierte Räder eine interessante Entwicklung. Meine Ablehnung begann zu bröckeln, die Neugierde wurde stärker.

Fazua RIDE 50 EVATION

Das aktuelle Antriebssystem von Fazua ist das RIDE 50 EVATION und setzt sich aus 3 Hauptbestandteilen zusammen: Dem Getriebe (BOTTOM BRACKET) 1,3kg, dem Motor (DRIVEPACK) 1,9 kg und dem Akku (ENERGY 250X)1,4 kg. Das gesamte Antriebssystem wiegt damit 4,6 kg. Der Motor hat eine verlängerte Hülle zur Aufnahme der Akkus, beides wird also zusammen – das sog. Drive Pack – in den Rahmen geschoben bzw. weder entnommen.

Der Motor erbringt eine maximale Leistung von 450W, der Akku 250Wh. Angaben zur Reichweite einer Akkuladung sind bei E-Bikes immer theoretische Werte, Unterstützungsgrad, Streckenprofil und nicht zuletzt Gewicht machen aus einer angegebenen 100 km Reichweite schnell mal mit 2-3 langen Bergen und der höchsten Unterstützungsstufe knappe 40 km; Fazua gibt für sein Unterstützungssystem eine Reichweite von bis zu 50km an.
Das Fazua System ist ganz auf den sportlichen Einsatz getrimmt und unterstützt abgestimmt in drei Stufen. Bereits die erste Unterstützungsstufe des Fazua-Systems ( Breeze ) sorgt für eine adäquate Mischung aus Muskel- und Motorpower, sie unterstützt die Muskelleistung mit konstanten 100 Watt; die zweite Stufe ( River ) bringt zusätzlichen 150% der eigenen Leistung und unterstützt so bis mit max. 210Watt, die dritte Stufe (Rocket) schiebt mit zusätzlichen 240% und kommt auf eine max. Leistung von 250W. Die Angaben zur prozentualen Unterstützung in Abhängigkeit von der jeweiligen Tretleistung beziehen sich auf die für das Fazua-System optimalen Tretfrequenz von angegebenen 65 – 85 rpm, eine relativ gemäßigte Tretfrequenz.

Die Bedieneinheit bei unserem Testrad – REMOTE FX– sitzt komplett im Rahmen integriert im Schrägrohr und besitzt eine sensible Touch-Oberfläche. Die Anzahl der aktiven LEDs – max. 5 – gibt Auskunft über den Ladezustand des Akkus, die Farbe – grün, blau oder rot – zeigt den Unterstützungsmodus; Ladezustand + Unterstützungsmodus – mehr Infos gibt es nicht.
Fazua bietet neben diesem rahmenintegrierten Bedienelement – REMOTE FX – auch ein Bedienelement für den Lenker – REMOTE BX – und eins neben dem Vorbau – REMOTE RX – an.

Corratec E-ALLROAD – ein Gravelbike mit zuschaltbarer Motorunterstützung

Gravelbikes sind sportliche Räder für Feld- und Waldwege, natürlich auch für Asphalt oder ähnlich feste Beläge, für Bikepacking- Abenteuer, Wochenendtrips oder auch Radreisen. Im Unterschied zum klassischen Rennrad sind sie mit Scheibenbremsen, breiteren Reifen (zumindest mehr “Reifenfreiheit“ bei Gabelbreite und Strebenabstand), einer laufruhigen Geometrie – flacher Steuer- + flacher Sitzrohrwinkel, damit längerer Radstand, einer etwas aufrechteren Sitzposition und einem breiteren „Flare-Lenker“ geländegängiger, laufruhiger und bequemer – und damit relativ vielseitig.

Genau diese Kriterien erfüllt das E – ALLROAD von corratec zu 100%: Rahmengeometrie – https://www.corratec.com/de/bikes/e-bikes/e-rennrade-gravel/bike/bk26481/, Schaltgruppe und Reifenbreite sind bei diesem Rad schon deutlich auf Fahrkomfort und Cross-Eignung abgestimmt, in Kombination mit dem E-Antrieb eine vielversprechende Kombination für Touren durchs heimische Mittelgebirge mit reichlich Höhenmetern, mehrtägige Touren mit Gepäck auch abseits; mal mit, mal ohne Schubhilfe, immer nach dem Fazua Firmenmotto – Fa(hr)Zua– übersetzt: Fahr los! – wir sind gespannt!

Lockeres „einrollen“ auf der Straße
Die ersten Kilometer mit dem Testrad mache ich auf der Straße, eine meiner heimischen 40km Rennrad-Trainingsstrecken mit 2 knackigen Anstiegen/Abfahrten. Das Corratec E-ALLROAD fährt sich absolut unproblematisch, die Sitzposition ist nicht so sportlich wie auf meinem Rennrad, die Schaltung ist sehr bergtauglich und die Scheibenbremsen sind auf den schnellen Abfahrten mit engen Kurven ein nicht zu vernachlässigender Sicherheitsfaktor. Der Motor schiebt bergauf spürbar, obwohl er auf dieser Strecke ,als Trainingsstrecke gefahren, eigentlich nicht nötig ist, die Schaltung mit der 11erKassette 11-13-15-17-19-21-24-28-32-37-42 in Kombination mit dem 42er Kettenblatt ist absolut kletterfähig, Auf der nächsten Trainingsfahrt bleibt die Antriebseinheit zu Hause und das Rad ist damit 3,6kg leichter – der große Vorteil des Fazua-Antriebs. Auf leicht abschüssiger Strecke fehlt aber dann doch die Übersetzung meiner Rennrad-Schaltung; hier kann ich mit dem 52er Kettenblatt vorn noch bei deutlich höheren Geschwindigkeiten als mit der Gravel-Schaltung Druck machen.
Ich kann mit dem Corratec E-ALLROAD durchaus schnell und sportlich auf der Straße fahren, ein vollwertiger Ersatz des Rennrads ist es aber auch mit ausgebauter Antriebseinheit nicht, aber es kann deutlich mehr als das spezialisierte Rennrad.

Bei den ersten Ausfahrten mit dem Corratec E-ALLROAD auf der Straße und auch im Gelände auf Forst- und Wirtschaftswegen hat sich relativ schnell eine Überlegung und auch ein häufig gebrauchtes Argument in Verkaufsgesprächen als trügerisch erwiesen:
Einer der Gründe, sich für ein E-Bike zu entscheiden, ist ja die Möglichkeit, auch dann mit einer Radgruppe oder einem Partner mithalten zu können, wenn es Leistungsunterschiede gibt. Das klappt bei unserem Testrad bergauf natürlich ausgezeichnet, denn der bei Bedarf zuschaltbare „Rückenwind“ kompensiert das evtl. vorhandene Konditionsdefizit – aber auch nur bis max. Tempo 25 kmh! Auf ebener Strecke oder leichtem Gefälle sieht es aber anders aus, denn die Übersetzung – kleinstes Ritzel 11, Kettenblatt vorn 42 Zähne – reicht zumindest auf der Straße nicht aus. Hier wünscht man sich vorn ein zweites, größeres Kettenblatt. Auf ebener oder nur leicht hügeliger Strecke „hechelt“ man sonst hinterher.
Das klassische Beispiel hierfür ist das Paar auf sportlicher Mountainbiketour. Sie fährt e-Bike, er ohne Unterstützung, es ist eine sportliche Tour, beide wollen schon auch „was tun“. Auf der ersten langen Steigung fliegt sie (Bosch Performance CX) im Turbo-Modus – macht ja auch Spaß! – den Berg hoch, er hechelt mit hochrotem Kopf und über der anearoben Schwelle hinterher. Bergab oder auf ebener Strecke ändert sich dann häufig die Reihenfolge, aus der gemeinsamen Ausfahrt wird dann schnell ein gelegentliches Treffen! Ganz schlecht läuft es dann, wenn einer der Partner auf diesen ständig wechselnden Verfolgungen die falsche Abzweigung nimmt!
Aus unserer Sicht ist bei diesem Kaufmotiv und auch Werbeargument Vorsicht angebracht, dieser Aspekt wird unserer Meinung nach häufig überbewertet.

Mit dem Corratec E-ALLROAD unterwegs im Naturpark Rothaargebirge

Wir sind mit dem Corratec E-ALLROAD mehrere Tage im Naturpark Rothaargebirge unterwegs gewesen, auf befestigten Wirtschaftswegen, auf Forstwegen, gelegentlich auch auf schmalen Trails, mal ohne, mal mit Gepäck – und genau hier haben sich die Stärke dieses Konzeptes gezeigt: Ein sportliches Rad mit hoher Straßen- wie auch Geländetauglichkeit, bei Bedarf mit Motorunterstützung. Ein hochwertig verarbeitetes und ausgestattetes Rad, das auch mit Gepäcktaschen beladen völlig unproblematisch zu fahren ist. Die Vorteile des Fazua e – Antriebs zeigen sich vor allem auf Strecken mit starken Anstiegen und bei längeren Touren mit Gepäck oder vielleicht auch mit Anhänger. Auf ebenen Strecken radelt man locker ohne „Schiebehilfe“, schaltet dann bei größeren Steigungen kurzfristig den Motor zu.
Die Fazua-Antriebseinheit ist ganz klar nicht für den Dauerbetrieb im Rocket-Modus gedacht, die Kapazität des Akkus mit 252Wh Leistung ist hierfür zu gering; bei dieser Akkukapazität und andererseits dem hochwertigen und relativ leichten Rad ist der Motor hier eher eine sehr angenehm Unterstützung an bissigen Anstiegen, auf ebener Strecke ist man mit dem Rad eh schnell mit über 25 kmh unterwegs.

An unserem Testrad ist das Bedienelement im Schrägrohr verbaut, eine aus unserer Sicht nicht so sinnvolle Positionierung. Ohne Gepäck tippt man natürlich ganz locker die jeweils gewünschte Unterstützung an, wird auch durch das farbige Blinklicht informiert, ich muss aber immer wie bei der alten Rahmenschaltung eine Hand vom Lenker lösen. Mit Rahmentasche sieht es allerdings anders aus, denn ohne Blickkontakt gestaltet sich das Anwählen der gewünschten Unterstützung ausgesprochen „pfriemelig“; hier wünscht man sich die Tastatur eher am Lenker oder am Vorbau. Probleme zeigen sich bei unserem Testrad beim Abschließen der Antriebseinheit; das Schloß an der Antriebseinheit hat eigentlich nie wirklich funktioniert, mit etwas Druck auf den kleinen Hebel zum Öffnen des Verschlusses ließ sich die Antriebseinheit auch im verschlossenen Zustand immer entnehmen – wir mussten das Rad alsoimmer in Reich- und Sichtweite abstellen.

Unser Fazit

Insgesamt ist das Corratec Corratec E-ALLROAD eine ganz andere Art E – Bike als Bikes mit den großen festverbauten E-Motoren und 500 WH/600 Wh Akkus; während mit diesen Rädern die E-Motoren in der Regel im Dauerbetrieb sind, wird bei dem Corratec e-Gravelbike der Motor eher nur kurzfristig zugeschaltet, um z. B. eine kurze Rampe oder den langen Anstieg zu entschärfen. Natürlich macht es auch mal Spaß, mit Unterstützung durch den Motor in der höchsten Unterstützungsstufe Rocket zu beschleunigen oder eine leicht ansteigende kurvige Strecke hoch zu fliegen; oder ich benutze dem Motor, um meine 40 km Hausstrecke durchgehend mit gleicher Tretfrequenz und einer ordentlichen Durchschnittsgeschwindigkeit den „runden Tritt„ zu trainieren. Egal wie ich den Motor nutzen, ich muss keine Angst vor dem leeren Akku haben, das Rad lässt sich auch mit leerem Akku ganz normal fahren.
Das Rad ist kein Highspeed – Rennrad und auch kein reinrassiges MTB, aber den großen Einsatzbereich zwischen diesen beiden Spezialisten füllt dieses Rad mit Bravour aus – und immer mit einer beeindruckenden Kraft- und Ausdauerreserve in Form des Fazua – Antriebs. Ob sportliches Fahren auf der Straße oder die tägliche Fahrt zur Arbeit, ob off-road Touren durch Wald und Feld oder mehrtägige Touren mit Gepäck – dieses Gravelbike mit Fazua-Antrieb ist ein sehr vielseitiges Bike für all diejenigen, die in erster Linie auf ihre eigene Kraft und Ausdauer setzen, sich aber vom e-Bike Antrieb ein Plus an Ausdauer und Kraft erhoffen.

Der Preis des Rades ist im Hinblick auf die Ausstattung –vom nicht Funktionieren des Schließmechanismus abgesehen – und im Vergleich zu den Mitbewerbern interessant / absolut konkurrenzfähig. Wünschenswert wäre evtl. noch ein zweites Kettenblatt, denn dann wären die Einsatzmöglichkeiten noch vielfältiger.