e-Gravelbike, Sport-Tourer oder Allround-Sportler?

Wir haben in der letzten Zeit einige e-Gravelbike getestet, die in ihrer Konzeption, Ausstattung und Zielgruppe sehr unterschiedlich sind.

In dieser Unterschiedlichkeit wird aber auch deutlich, dass es bei dem Segment der e-Gravelbikes immer noch schwierig ist, Zielgruppe und Einsatzkonzept zu benennen; für diese Bikes – ähnlich wie bei den e-Rennrädern – fehlt bisher noch die schlüssige „Verkauf-/Kaufgeschichte“: Warum mit Motor?
Ein häufig gehörtes Argument für den Kauf eines E-Rennrads oder auch E-Gravelbikes, der zusätzliche Schub durch den Motor ermögliche „gemeinsame Fahrten von trainierten und weniger trainierten Fahrern …“, ist unserer Erfahrung nach mit großer Vorsicht/Skepsis zu betrachten. Gerade mit diesen sportlichen Rädern rollt der einigermaßen trainierte Sportler auf ebener Strecke ohne Probleme mit mehr als 25kmh Kilometer ab; das ist allerdings die Geschwindigkeit, bei der der E-Motor nicht mehr unterstützt! Hier kommt der weniger trainierte Fahrer schnell an seine Grenzen.

Ähnlich wie bei den nichtmotorisierten Gravelbikes sind die Konzeptionen der einzelnen e-Gravelbikes sehr unterschiedlich, hier gibt es extrem leichte Sporträder mit Offroad-Qualitäten mit schmalen oder auch mit breiten Reifen, einzelne Modelle auch mit Federgabel und es gibt auch sportliche Tourenräder mit Gravellenker; die Bezeichnung Gravelbike ist sehr breit gefasst, universell. Hinzu kommt immer auch noch die Art der Motorisierung; es gibt die Gruppe der e-Gravelbikes mit relativ starken Motoren mit 70 oder mehr Nm Drehmoment und auch großen Akkus mit 500 und mehr Wh Leistung, und es gibt die Gruppe der schwächer motorisierten Bikes mit leichteren Motoren und kleineren Akkus.

e-Gravelbikes mit leichten Motoren + kleinen Akkus

Der leichte Motor + häufig auch kleine Akku bringen bei diesen Rädern kein so hohes Zusatzgewicht, sie wiegen in den Regel weniger als 15kg. Diese schwächer motorisierten e-Gravelbikes sind aufgrund ihres Rahmens und Gewichts den nichtmotorisierten Gravelbikes sehr ähnlich, sie sind sportlich, wendig, robust und mit ihrer Gravel-Austattung 1 x 10- oder 11-fach Schaltung mit bergfähiger Übersetzung (zumindest in der Regel), Scheibenbremsen und Gravellenker auch offroad-tauglich; wobei es hier auch bezüglich der Reifenbreite große Unterschiede gibt.
Der Motor kommt bei diesen Rädern nur temporär zum Einsatz, beim Anfahren, bei der Beschleunigung nach engen Kurven und bei steilen oder langen Anstiegen. Der Motor hilft so, die Geschwindigkeit hoch und die Pulsfrequenz in Grenzen zu halten – wenn ich es möchte! Diese Räder kann ich natürlich auch ohne Motorunterstützung fahren; bei den Modellen mit Hinterradnabenmotor haben ich ja ein normales Tretlager, und wenn ich möchte, kann ich ja auch den Akkus raus nehmen und muss dann nur noch den Motor hinten in der Nabe „transportieren“. Bei Modellen mit dem Fazua-Antrieb kann ich sogar bei Bedarf den gesamten Antrieb – also Akku + Motor – raus nehmen und das Bike dann „normal“ fahren. Aber ganz ehrlich, wer kauft sich denn ein e-Bike und legt den Antrieb dann zu Hause ins Regal?

Mit der Motorunterstützung
kann ich längere Touren fahren ohne mich zu verausgaben,
kann ich aber auch ganz gezielt trainieren, durch die Kombination Schaltung + unterschiedliche Motorunterstützung kann ich meine Pulsfrequenz oder Wattleistung relativ konstant halten,
kann ich z. B. auch meine Trittfrequenz relativ konstant halten.

Die Motorunterstützung ist also sehr hilfreich bei der Trainingssteuerung! Und letztendlich sind Tempo, Beschleunigung und der runde Tritt bergauf mit diesen sportlichen Rädern ein besonderes Erlebnis.

Diese leichten e-Gravelbikes mit kleinen Motoren und leichten Akkus sind sehr sportliche Räder, die sehr viel Spaß machen auf bergigen und kurvigen Strecken, auch in moderatem Gelände. Sie sind wendig und agil, beschleunigen mit der Motorunterstützung sehr gut aus der Kurve und lassen sich bergauf auch sehr zügig bewegen – ein Erlebnis.

Die Reifenbreite und auch die Bauweise des Lenkers sind hier nicht unwichtige Ausstattungsmerkmale: Wer auch gern mal offroad mit einem e-Gravelbike unterwegs ist, sollte darauf achten, dass das Rad mit einem guten Gravel-Lenker ausgestattet ist; nicht viel Reach und auf jeden Fall reichlich Drope Flare – Der Unterlenker ist deutlich nach außen gedreht, er steht nicht senkrecht nach unten, das dreht die Bremshebel in eine etwas nach innen rotierte Position. Die Brems- und Schalthebel lassen sich so im Obergriff auf den Bremsgriffen ganz locker bedienen, ohne dass das Lenken beeinträchtigt wird.
Und die Reifen können für offroad-Ausflüge gut breiter als 30mm sein; wir haben z. B. mit dem VITTORIA Terreno Zero 650x47C Reifen sehr gute Erfahrungen gemacht, ebenso ist der neue Schwalbe G-One Allround schlauchlos in der 40mm Breite ganz sicher ein guter Tip.

e-Gravelbikes mit starkem Motor und
weitreichendem Akku

Die stark motorisierten E-Gravelbikes werden schon mal eher mit Schutzblechen, Gepäckträger und Lichtanlage ausgestattet, dieses kleine Zusatzgewicht schlägt bei dem so wie so schon relativ hohen Gesamtgewicht nicht so stark“zu Buche“, und einige von ihnen haben auch relativ dicke Reifen. Diese Räder sind immer auch sehr gut geeignet als sportliche Tourenräder oder auch für den Winterbetrieb! Sie sind stabil gebaut und können in der Regel einiges an Zusatzgepäck tragen und Schutzbleche und etwas dickere Reifen sind im Herbst und Winter ganz angenehm.

Diese e-Gravelbikes sind eher auch die sportlichen Tourenbikes; mit Gepäck und damit Zusatzgewicht wird die Motorunterstützung doch häufiger in Anspruch genommen als bei der sportlichen Tagestour, die Reichweite des Akkus ist also hier nicht unwichtig. Wer also nicht ganz so sportlich und schnell unterwegs sein will, dafür aber mehr auf Allwetter-Tauglichkeit und auch Transportmöglichkeiten Wert legt, der ist mit diesen schwereren e-Gravelbikes gut beraten.
Wobei diese Bikes aber auch sportlich gefahren werden können und damit auch eine systemantisches Training sehr gut möglich ist – s. o.

Diese stark motorisierten e-Gravelbikes sind in der Regel natürlich auch schwerer als Vertreter der sportlichen Bikes mit kleineren Motor + Akku Einheiten:
Das Hercules EDISON GR z. B. wiegt 25,2 kg, wobei hier der Motor – Shimano EP8 – 2,6 kg wiegt und der 630 Wh Akku 3,8 kg. Das Corratec E-ALLROAD wiegt dagegen nur 14,9 kg, davon gehen nur 3,6 kg auf die gesamte Antriebseinheit.

Aber in der Guppe der starkmotorisierten e-Gravelbikes gibt es auch leichtere Modelle, so z. B. das Canyon Grail:ON CF 7 mit 17,1 kg, 85 Nm Boschmotor und 500 Wh Akku.




Canyon Grail:ON CF 7,
Carbonrad, Shimano GRX Gruppe, Bosch Performance Line CX 85 Nm Motor + 500 Wh Akku, 50 mm Schwalbe G-one Reifen: 17,1 kg, 4999,- €